Veröffentlichung der Berichterstattung des Landwirtschaftlichen Wochenblattes (Nr. 25/2022):
Die drohenden Versorgungsengpässe bei Getreide aber auch bei Gas oder Öl lassen weltweit die Preise explodieren und die Sorge vor einer globalen Hungerkrise wächst. Das Thema Ernährungssicherung stand demzufolge auch beim Deutschen Bauerntag vergangene Woche Dienstag und Mittwoch in Lübeck oben auf der Agenda. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, machte in seiner Grundsatzrede deutlich, dass der heimischen Landwirtschaft in dieser Situation mehr denn je eine Schlüsselrolle zukomme.
„Der Ukraine-Krieg hat die Welt nachhaltig verändert. Nach wie vor leiden und sterben Menschen“, sagte Rukwied. Man habe sich aus diesem Grund als Verband bewusst dafür entschieden, die Sanktionen der Bundesregierung und der Europäischen Union mitzutragen, obwohl diese die Bauernfamilien auch belasteten.
Ernährungssicherung war schon immer Thema
Der Krieg habe Landwirtschaft und das Thema Ernährungssicherung in den Fokus gerückt, aber „für uns war das Thema schon immer im Fokus.“ Der DBV-Präsident machte deutlich, dass nicht erst dieser Krieg Anlass für eine Kehrtwende der deutschen Agrarpolitik sei. Es könne nicht sein, dass Lebensmittel als politische Waffe eingesetzt würden, während man im Westen auf Produktionsverzicht und Exportbeschränkungen setze. Die Handels- und Energiepolitik sei angepasst worden, jetzt müsse die Agrarpolitik folgen: „Eine Änderung und Nachjustierung der Landwirtschaftspolitik ist zwingend erforderlich. Die Ernährungssicherung muss stärker berücksichtigt werden“, so Rukwied, der sich für eine zumindest teilweise Aufschiebung beziehungsweise Reduktion der Flächenstilllegung aussprach.
Daneben drängten sich weitere große Herausforderungen, wie Klimaschutz, Digitalisierung und ganz besonders auch die Frage, wie es mit der Tierhaltung in Deutschland weitergeht. „Da sage ich ganz deutlich: Tierhaltung muss eine Zukunft haben, sie ist Teil des landwirtschaftlichen Kreislaufes und wir brauchen eine tierische Erzeugung in Deutschland“, so Rukwied. Der Rahmen müsse so gesetzt werden, dass die Tierhalter eine Zukunft haben. Rukwied erläuterte, dass der Schweinebestand in Deutschland von 2020 auf 2021 um rund 2,4 Mio. Tiere abgestockt wurde, während in Spanien im gleichen Zeitraum der Bestand um 3,5 Mio. Tiere aufgestockt wurde. „Die Verlagerung der Produktion ins Ausland findet bereits statt“, sagte der DBV-Präsident. Man begrüße den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zur Tierhaltungskennzeichnung, ebenso, dass unterschiedliche Stallhaltungsformen dort ihre Entsprechung fänden, aber die Finanzierung müsse endlich auf den Weg gebracht werden, „ansonsten wird der Umbauprozess nicht umgesetzt werden können.“
Rukwied unterstrich die Forderung nach einer Herkunftskennzeichnung tierischer Produkte. Bis Ende des Jahres wolle man noch abwarten ob sich auf europäischer Ebene etwas bewege, aber dann sei die Bundesregierung gefordert. Transparenz dürfe nicht allein auf die Haltung reduziert werden. Der DBV-Präsident rief auch den Lebensmitteleinzelhandel und die Verbraucher auf, zu ihrem Wort zu stehen und beim Einkauf auf Regionalität zu setzen.
Ansprechpartner statt Opposition
„Politisch hat es eine Zeitenwende gegeben. Die für unseren Berufsstand wichtigen Ministerien sind jetzt grün geführt“, so der DBV-Präsident. Man wolle aber als Verband nicht auf Oppositionskurs gehen, sondern habe das Gespräch gesucht und wolle auch zukünftig der erste Ansprechpartner in Sachen Landwirtschaft und ländlicher Raum bleiben. „Wenn man politisch etwas bewegen will, dann muss man Zugang haben, dann muss man als verlässlicher Partner gelten“, sagte Rukwied. Das heiße aber nicht, das man nicht weiter um die für den Berufsstand wichtigen Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung der Agrarpolitik streiten werde. Nur durch einen respektvollen Umgang miteinander könnten auch gemeinsame Lösungen gefunden werden.
Maßnahmen müssen praxisgerecht sein
Man wolle den Transformationsprozess mitgestalten und noch nachhaltiger werden, obwohl die Landwirtschaft hierzulande schon mit zu den nachhaltigsten zähle. Der Berufsstand stehe auch weiterhin zu Arten- und Klimaschutz sowie Biodiversität. Man brauche aber Maßnahmen, die sich auf den Betrieben integrieren lassen. Auch beim Thema Düngeverordnung fehle die Praxisnähe und besonders das Verursacherprinzip werde nicht als Grundlage der Bemessungen beachtet. „Eine bedarfsgerechte Düngung muss auch in Zukunft möglich sein“, sagte Rukwied. Weitere Themen waren die Forderung nach einem europäischen Mindestlohn, um die Wettbewerbsfähigkeit besonders der heimischen Sonderkulturbetriebe zu erhalten, sowie nach einem Ende des Flächenverbrauchs hochwertiger Ackerflächen, auch im Hinblick auf die erforderliche Ernährungssicherung.
Kommunikation weiter ausbauen
Wie Rukwied erläuterte, hat der Verband die Kommunikation sowohl nach außen als auch mit den Mitgliedern, zum Beispiel über Soziale Medien und WhatsApp-Gruppen, erfolgreich ausgebaut. So könne man den Austausch intensivieren und die Verbandsarbeit nachvollziehbar machen. „Da sind wir auf einem guten Weg. Das wollen wir weiter ausbauen. Kommunikation ist ein Schlüssel für politischen Erfolg“, sagte der DBV-Präsident zu den über 450 Delegierten vor Ort. Auch den Anspruch „jünger und weiblicher“ zu werden, habe man nach wie vor. „Wir brauchen die Expertise von Frauen im Verband“, sagte Rukwied. Mit dem DBV-Fachausschuss Unternehmerinnen wurde der Weg dafür frei gemacht. Die Vorsitzende des Ausschusses, Susanne Schulze-Bockeloh, wird in der zweiten Jahreshälfte zudem den DBV-Vorstand als Vizepräsidentin erweitern (siehe Meldung zur Satzungsänderung auf dieser Seite). Schulze-Bockeloh versprach, dass sie und ihre Kolleginnen sich bei allen Themen einsetzen werden und sie warb für die Gründung weiterer Unternehmerinnen-Ausschüsse auf Landes- und Kreisebene. Vom Bund der Deutschen Landjugend sprachen die beiden Vorsitzenden Theresa Schmidt aus Schwalm in Nordhessen und Jan Hägerling aus Ahnsbeck in Niedersachsen. Auch die Deutsche Landjugend will nach ihren Worten die Konsensfindung weiter vorantreiben und Landwirtschaft mit betriebswirtschaftlichem Erfolg vereinen.
Ein Umdenken ist erforderlich
Die neuen Herausforderungen erforderten ein Umdenken. Man sei sich als Junglandwirte der Verantwortung bewusst und wolle eine vielseitige Landwirtschaft erhalten, denn Betriebe die jetzt aufgeben kommen nicht mehr zurück, so die beiden Vorsitzenden. Auch durch die Corona-Pandemie sei es anspruchsvoll geworden, junge Menschen für das Ehrenamt zu motivieren. Die vom Bund der Deutschen Landjugend in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen „Produkt+Markt“ und mit Förderung der Landwirtschaftlichen Rentenbank durchgeführte Junglandwirtestudie zeige Impulse für die zukünftige Verbandsarbeit auf (www.landjugend.de). (kbü)
(Foto: BWV RLP Süd e. V.)