Veröffentlichung der Berichterstattung des Landwirtschaftlichen Wochenblattes (Nr. 28/2024):
Den ersten Nord- und Westpfälzer Bauerntag veranstalteten der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV), das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westpfalz (DLR) und die Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle am vergangenen Samstag in Münchweiler an der Alsenz. Thema einer Podiumsdiskussion war „Nachhaltigkeit – verordnete Pflicht oder lohnenswerte Kür?“
„Landwirtschaft und Umweltschutz gehören zusammen“, sagte Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd und Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes. Nachhaltig zu wirtschaften sei für Landwirte eine Selbstverständlichkeit, denn es werde in Generationen gedacht. Was vielen Verbrauchern nicht bewusst sei: „Eine Lebensmittelproduktion ohne Einwirkung auf die Umwelt gibt es nicht, genauso wenig wie Auto- und Flugverkehr ohne Wirkung auf die Umwelt.“ Man weise die Schuld gerne von sich, zeige aber mit dem Finger auf die Landwirte. „In den vergangenen Jahrzehnten war es in erster Linie das Ziel, eine hohe Produktivität im Ackerbau zu erreichen und so möglichst viele Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Eine Düngung in entsprechender Menge war gute fachliche Praxis und wurde auch von der Beratung so in die Betriebe getragen.“ Der Auftrag der Gesellschaft an die Landwirte sei ein anderer gewesen. „Seit einigen Jahres hat sich die Zielrichtung mehr in Richtung Umweltschutz verschoben und wir tun in der Landwirtschaft schon sehr viel dafür.“ So auch Tobias Füge, der als Vertreter der Landjugend Rheinhessen-Pfalz teilnahm und in seinem Betrieb einen wenig ertragreichen Ackerstandort zu Grünland umgewandelt hat. „Solche Flächen kann man gut dem Umweltschutz widmen.“ Dies sei vorteilhaft, weil man mit der Umweltförderung einen sicheren Auszahlungsbetrag bekomme, mit dem man über mehrere Jahre planen kann. Er setze selbstverständlich auf ausgewogene Fruchtfolgen mit Wechsel zwischen Halm- und Blattfrucht. Die Kultur bestimme die Beikultur, man könne so auch den Unkrautdruck und damit die Resistenzbildung reduzieren. Für eine gute CO2-Bindung durch eine verstärkte Humusbildung baut er die Durchwachsende Silphie an und nutzt sie in seiner Biogasanlage. „Diese ist als Blühpflanze auch für Insekten interessant und fördert damit die Biodiversität.“
Sabine Yacoub, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz in Rheinland-Pfalz bestätigte, es gebe von Seiten der Landwirtschaft schon viel Engagement, beispielsweise durch das Anlegen von Blühstreifen, das Artensterben sei jedoch noch lange nicht gestoppt. Die Landwirte hätten hier eine besondere Rolle, weil ihr Wirtschaften auf einer großen Fläche stattfinde. Die bestehenden Vertragsnaturschutz- und Umweltprogramme müssten ihrer Ansicht nach jedoch noch umfangreicher genutzt werden.
Mehr Flexibilität von Seiten der Behörden ist gefragt
Eine anwesende Landwirtin sagte, in den Naturschutzprogrammen sei mehr Flexibilität von Seiten der Behörden gefragt. Die Bewirtschaftung könne sich nicht nach dem Kalender richten. Flächen dürfen laut den Vorgaben erst nach einem bestimmten Termin befahren werden, Vegetation und Witterung seien aber jedes Jahr anders. Sie nehme an manchen Programmen nicht teil, weil sie die Termineinhaltung nicht sicherstellen könne. Man brauche zielführendere Lösungen. Im Saarland gebe es beispielsweise die Regelung, dass Maßnahmen erfolgen dürfen, sobald bestimmte Pflanzen verblüht sind. Eine flexiblere Umsetzung von EU-Vorgaben werde auch in den Niederlanden vorgelebt, ergänzte Hartelt. Ein anwesender Vertragsnaturschutzberater sagte, die Regeln der Programme seien so festgezurrt, dass er in der Beratung keinerlei Spielräume habe. „Das ist eigentlich gar keine Beratung. Wer die Vertragsbedingungen selbst liest, ist genauso gut beraten.“ Auch aus Sicht des Artenschutzes seien fixe Vorgaben wenig sinnvoll: „In einigen Jahren liegt der Mahdtermin zu früh und in anderen zu spät“, ergänzte Yacoub. Mehr Flexibilität sei zielführender für alle Seiten. Man gewinne den Eindruck, dass Gesetze in der EU in erster Linie für die „schwarzen Schafe“ gemacht werden. Besser sei es aber, in der Region gemeinsam mit dem Berater fachlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen und auf Vertrauen zu setzen. Der Berater müsse dann aber auch die Verantwortung übernehmen dürfen, weil er später gegenüber der EU nachweisen muss, dass die Fördergelder sinnvoll ausgegeben wurden.
Blühflächen sollten vernetzt über mehrere Schläge angelegt werden, sagte Dr. Klaus Erdle, Fachbereichsleiter beim Amt für den Ländlichen Raum des hessischen Hochtaunuskreises. „Eine Blühfläche inselartig inmitten von 80 ha auszusäen, bringt nicht viel. Der Laufkäfer läuft maximal 50 Meter weit.“ Aus Sicht des Artenschutzes sei es zudem sinnvoller, Flächen streifenweise statt komplett zu mähen, ergänzte Yacoub. „Wenn man zeitgleich alles abmäht, fehlt den Insekten der Lebensraum.“ Wichtig seien auch zusammenhängende Strukturen. „Sprechen Sie mit dem Landwirt, der die Nachbarfläche bewirtschaftet, ob er im Anschluss an den Blühstreifen einen Altgrasstreifen setzen kann und vielleicht kann der Übernächste eine vorhandene Hecke anders pflegen. So können Tiere und Pflanzen wandern“, so Erdle. Kooperation und Vernetzung auf allen Ebenen sei hier der Schlüssel, es gebe bereits ein Modellprojekt im Donnersbergkreis (Moko Eulla) das diese Voraussetzungen erfülle, sagte der BWV-Präsident. Pragmatische Lösungen seien gefragt, um den Aufwand für die Landwirte gering zu halten. Hartelt nannte ein Beispiel aus einer Kooperation von Landwirten in der Südpfalz, bei der ein Landwirt für alle Betriebe Blühstreifen einsät. „Dann muss nicht jeder selbst die Sämaschine anspannen.“ Anträge sollten nicht einzeln, sondern projektweise, das heißt betriebsübergreifend gestellt werden, ergänzte ein Landwirt aus dem Donnersbergkreis. In der Gemeinschaft sei die Akzeptanz der Umweltmaßnahmen höher und die Mittel des Projektes ermöglichten eine bessere Beratung und damit Betreuung der Betriebsleiter. Prof. Stephan Schneider von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen Geislingen ergänzte: „Wir müssen deutlich mehr Nachhaltigkeitsberater ausbilden, dann könnten wir auch mehr Maßnahmen in den Betrieben umsetzen.“
Landwirte stark von Folgen Klimawandels betroffen
Hartelt betonte, dass besonders die Landwirte Leidtragende des Klimawandels und seiner Folgen seien. In diesem Jahr sei zu hoher Niederschlag das größte Problem, in den vergangenen Jahren die Trockenheit. Man komme vom einen Extrem ins andere. „Das erhöht die Produktionskosten, schmälert die Erlöse und schränkt damit die Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe ein“, so Hartelt. Es sei deshalb keine Frage, ob mehr für die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz getan werden müsse, sondern wie. In Projekten auf der Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle werde geprüft, was in der Praxis wirksam und effizient sei. Es zeige sich immer wieder, dass eine hohe Effizienz der Produktion mit einer hohen Klimaverträglichkeit einhergehe. „Die Politik hat leider weiterhin eine romantisierte Vorstellung, wie Landwirtschaft zu sein hat“, kritisierte Hartelt. Der erste stellvertretende Bezirksratsvorsitzende im Bezirksverband Pfalz Dr. Klaus Weichel sagte in seinem Grußwort, auf dem Hofgut Neumühle werde versucht, die Betriebseinheiten energetisch und umwelttechnisch zu optimieren, es werde sozusagen ein Masterplan für den Klimaschutz entwickelt. Mit externer Hilfe werde das in den kommenden Jahren umgesetzt. „Geforscht wird zu Anbauformen, Klimaresilienz und ressourcensparender Düngung“, sagte er.
Emissionen sind bei hohen Tierleistungen geringer
Dass hohe Leistungen aus Sicht der Nachhaltigkeit sinnvoll sind, bestätigte Schneider, der sich in Projekten mit Klimabilanzierungen beschäftigt. „Die Emissionen je erzeugter Einheit sind bei hohen Tierleistungen deutlich geringer als bei niedrigen.“ Am vorteilhaftesten von allen Nutztierarten sei die Milchkuh, denn nur sie könne Pflanzen verwerten, die keine Nahrungskonkurrenz zum Menschen darstellen. Das werde bei der stetig steigenden Weltbevölkerung und damit einhergehendem steigenden Proteinbedarf immer wichtiger. Man könne Milch klimafreundlicher produzieren, aber nicht klimaneutral. Nachhaltigkeit sei ein globales Thema, man dürfe es nicht nur auf regionaler Ebene denken. Und auch hiesige Tierhalter müssten sich mit dem Thema befassen, denn alle große Lebensmitteleinzelhändler hätten sich mehr oder weniger umfangreiche Treibhausgas-Reduktionsziele gesetzt. „Das wirkt beispielsweise auf die Molkereien zurück und von dort aus auf die Milcherzeuger.“ Allerdings sei es herausfordernd zu ermitteln, wie nachhaltig ein Betrieb wirtschaftet. Er begleitet den Betrieb von Mario Frese, der in Nordhessen die erste Klima-Milchfarm in Deutschland betreibt. An diesem Pilotprojekt sind neben der Hochschule Nürtingen Nestlé und Hochwald beteiligt. Es läuft seit 2021 und Ziel sei es die Emissionen zu erfassen und reduzieren. Dafür werden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, beispielsweise erhalten die Kühe ein Zusatzfuttermittel, das den Methanausstoß senkt (siehe den ausführlichen LW-Artikel
https://kurzlinks.de/n7o0).
Auch die DLG habe sich mit dem Thema befasst. Diese versuche seit langem Nachhaltigkeitsstandards zu implementieren. Betriebe wurden mit hohem Aufwand wissenschaftlich begleitet, sage Erdle, der vor seiner Tätigkeit beim Hochtaunuskreis bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) beschäftigt war. „Wir haben dabei immer wieder festgestellt, dass es in der Landwirtschaft nicht einfach ist, Nachhaltigkeit zu erfassen, weil die Betriebe sehr individuell sind. Aber es zeigte sich auch, dass die meisten untersuchten Betriebe auf einem guten Weg sind.“
Mehr Nachhaltigkeit gibt es nicht zum Nulltarif
Gefragt seien vor allem im Ackerbau technische Verbesserungen, sagte Füge. „Mit modernen Pflanzenschutzspritzen könnten unter Zuhilfenahme innovativer Technik Applikationskarten erstellt und die Mittel gezielt abgestimmt auf die Pflanze ausgebracht werden. Das würde große Mengen an Pflanzenschutzmitteln einsparen, allerdings seien diese Techniken sehr teuer. „Die Frage ist, was kostet das und ist es für einen Landwirt erwirtschaftbar“, ergänzte Hartelt. Das ziehe sich durch alle Bereiche der Landwirtschaft durch, ob im Ackerbau oder der Tierhaltung mit seinen immer höheren Anforderungen an das Tierwohl.
Konstruktive Vorschläge, wie die Landwirtschaft künftig ausgerichtet werden sollte hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) erarbeitet. „Diese sollten umgesetzt werden, für die zu erbringenden zusätzlichen Umweltleistungen brauchen wir jedoch zusätzliche Mittel“, so Hartelt. Aktuell agiere die Politik auf Bundesebene wenig verlässlich. „Pauschale Reduktionsziele für Pflanzenschutzmittel sind das Gegenteil davon, was in der ZKL vereinbart worden ist. Wir müssen weg von einer Verbotspolitik und das Ordnungsrecht muss vereinfacht werden.“ Um Finanzmittel zu akquirieren, erstelle der Deutsche Bauernverband derzeit in Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden eine Online-Plattform (Agora Natura), auf welcher Unternehmen und Privatpersonen Gelder für Umweltmaßnahmen zur Verfügung stellen können. „Damit werden hochwertige Naturschutzmaßnahmen umgesetzt“, so Hartelt.
Ein großes Problem in der Landwirtschaft sei es, dass die eigenen Erzeugnisse von Verbrauchern nicht ausreichend honoriert werden, sagte Jürgen Vogelgesang, BWV-Vorsitzender im Kreisverband Kaiserslautern und BWV-Vizepräsident. „Der Verbraucher ist meist nicht bereit mehr zu zahlen, wenn ich meine Tiere auf dem Hof schlachte.“ In der Region gebe es derzeit ein Massensterben der Betriebe. Tobias Füge ergänzte: „Wir müssen von unseren Höfen so gut leben können, dass auch die nächste Generation wieder in die Landwirtschaft einsteigen will. Das sei die Voraussetzung dafür, dass es in der Region auch in Zukunft noch Landwirte gibt. (Ad)