Liebe Landwirte und Winzer, liebe Landfrauen, Landsenioren und Landjugendliche,
das abgelaufene Jahr agrarpolitisch einzuordnen, fällt mir nach den Ereignissen der letzten Tage äußerst schwer. Aber was ich an dieser Stelle als erstes festhalten möchte, ist der große Zusammenhalt des Berufsstandes, der sich in entscheidenden Momenten dann doch immer wieder zeigt. Auch wenn es innerhalb der Branche unterschiedliche Positionen gibt und über die richtigen Mittel und Wege diskutiert wird, stehen die Landwirte und Winzer zusammen, wenn es darauf ankommt. Uns alle eint das Ziel, der Landwirtschaft und dem Weinbau eine langfristige Perspektive zu bieten und Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen und wir der nächsten Generation wieder guten Gewissens unsere Höfe übergeben können.
Ich möchte mich daher bei allen Mitgliedern des Berufsstandes sehr herzlich bedanken, die sich in unserem Verband, aber auch in allen anderen landwirtschaftlichen Organisationen und in der Politik aktiv für einen zukunftsfähigen Agrarsektor in diesem Land einsetzen. In den vergangenen Jahren wurde uns allen dieses Engagement nicht leicht gemacht. Zu viele Steine wurden uns in den Weg gelegt. Aber gerade deswegen ist eine starke Interessenvertretung von großer Bedeutung, damit aus einem steinigen Weg keine Sackgasse wird. Jeder Einzelne, der sich dafür entscheidet, für die Interessen seiner Berufskollegen zu kämpfen, trägt dazu bei, unsere berechtigten Anliegen ein stärkeres Gehör zu verschaffen – getreu dem Leitspruch des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.: „Gemeinsam stark!“
Mit dem Jahr 2023 begann die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Verzögerungen, offene Fragen und ungenutzte Potentiale führten zu einem verpatzten Start. Die GAP wurde noch einmal komplexer und restriktiver. Wenn selbst Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums davon sprechen, dass das Fördersystem an der Grenze des Absurden angekommen ist, gilt es, in enger Abstimmung mit dem Berufsstand, über größere Veränderungen nachzudenken. Die politisch Verantwortlichen müssen zeigen, wie ernst es ihnen mit einer attraktiven Bezahlung von Umwelt- und Klimaleistungen wirklich ist, ohne die Ernährungssicherung aus dem Fokus zu verlieren.
Im weiteren Verlauf des Jahres spitzten sich die Debatten zu bedeutenden agrarpolitischen Themen immer weiter zu und gipfelten in einem turbulenten November, in dem mehrere wegweisende Entscheidungen gefällt wurden. Das Naturwiederherstellungsgesetz (Nature Restoration Law – NRL) wurde in den Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, dem Rat der EU und der Europäischen Kommission deutlich zu Gunsten der Landwirtschaft entschärft. Die hochumstrittene Verordnung zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation – SUR) wurde im Europaparlament abgelehnt und ist damit vorerst vom Tisch. Darüber hinaus verlängerte die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat, nachdem es unter den Mitgliedstaaten keine ausreichenden Mehrheiten gegeben hatte. Diese Beschlüsse sind ein großer Erfolg für den Berufsstand und zeigen, dass es sich lohnt, gemeinsam bis zum Schluss zu kämpfen statt aufzugeben.
Allerdings gab es noch eine Entscheidung, deren weitreichenden Folgen heute noch nicht vollständig zu erfassen sind. Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Bundeshaushalt Mitte November, legte die Bundesregierung vor wenigen Tagen einen Maßnahmenkatalog vor, mit dem die notwendigen Einsparungen erreicht werden sollen. Darin enthalten: die Streichung der Agrardieselentlastung und die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft. Darüber auch nur zu diskutieren verbietet sich und es kann keine andere Lösung geben, als beide Steuererhöhungen wieder ersatzlos von der Liste zu streichen. Ich hoffe, dass die Demonstration in Berlin, bei der sich der Zusammenhalt des Berufsstandes einmal mehr beeindruckend gezeigt hat, hierfür ein deutliches Signal an die Politik ist.
Das Jahr 2023 war eine agrarpolitische Achterbahnfahrt. Eine abschließende Bilanz kann noch nicht gezogen werden. Klar ist aber, dass Entscheidungen aus Brüssel und Straßburg, aber auch aus Berlin und Mainz, immer eine sehr konkrete Wirkung auf die Betriebe der Landwirtschaft und des Weinbaus haben. Beim Erstellen von Verordnungsentwürfen und beim Ringen um die besten Kompromisse geraten diese realen Konsequenzen zu oft aus dem Fokus. Unabhängig von unterschiedlichen Ansichten und abweichenden Zielen, sollten daher immer die direkten Folgen von Agrarpolitik mitgedacht werden. Nicht nur für die Menschen in der Branche selbst, sondern für die Gesellschaft insgesamt.
Am Ende eines prägenden und sehr herausfordernden Jahres hoffe ich, dass Sie es trotzdem schaffen ein wenig zur Ruhe zu kommen und genügend Zeit für die Menschen finden, die Ihnen nahestehen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien besinnliche Weihnachten mit erholsamen Feiertagen, einen guten Rutsch und alles Gute fürs Jahr 2024. Gesundheit, privates Glück, betrieblicher Erfolg sowie Zufriedenheit und Zuversicht mögen Sie begleiten.
Ihr
Ökonomierat Eberhard Hartelt
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.