Ernte – dank Pflanzenschutz! BWV-Präsident Ökonomierat Eberhard Hartelt zum Erntedank

Liebe Mitglieder des landwirtschaftlichen Berufsstandes, sehr geehrte MitbürgerInnen,

seit meinem Amtsantritt als Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. vor zehn Jahren habe ich an dieser Stelle oft von Trockenheit, Dürre und unzureichender Wasserversorgung berichtet, die zu Ertragseinbußen auf den Äckern und in den Weinbergen führten. Auch in diesem Jahr ist Wasser wieder ein entscheidendes Thema, aber nicht als Mangel in den wichtigen Phasen, sondern als Überangebot in der gesamten Saison mit entsprechenden Folgen. Feldarbeiten waren extrem abhängig von den Wetterbedingungen und den damit einhergehenden Bodenverhältnissen. Es gab nur sehr kurze Zeitfenster für Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflanzenschutz, Düngung und Ernte. Für viele Kulturen war es zu nass und zu kühl, auch beim Getreide fehlten warme, sonnenreiche Tage und so lagen die Erträge deutlich unter den Erwartungen. Grünlandstandorte waren an vielen Tagen zu feucht und konnten nicht geschnitten werden, auch an eine Bergung des Futters war dann nicht zu denken. Die größte Herausforderung war aber die Ausbreitung von Pilzkrankheiten, für die über viele Wochen optimale Witterungsbedingungen herrschten.

Dass wir in diesem Jahr von unseren Äckern und Weinbergen überhaupt etwas ernten konnten, ist keine Selbstverständlichkeit. Vor nicht allzu langer Zeit wäre die Ernte bei diesen Bedingungen vollständig verloren gewesen. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts waren Hungersnot und Auswanderung die Folge solcher Jahre. Aus der Not dieser Zeit heraus kam es zu wichtigen Innovationen und die Landwirtschaft hat sich zum Wohle der Bevölkerung weiterentwickelt. Die Entwicklung der ersten Pflanzenschutzmittel bildete die Grundlage der modernen Agrarforschung. Heute wie damals sind sie Garant für stabile, ausreichende Erntemengen, qualitativ hochwertige Produkte aus regionaler Erzeugung und für gesicherte Einkommen der Bauern- und Winzerfamilien. Gerade 2024 zeigte sich die absolute Notwendigkeit des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln besonders deutlich.

Die vergangenen Jahre waren ein Vorbote dessen, was uns durch den Klimawandel aller Wahrscheinlichkeit nach verstärkt beschäftigen wird. Stabile Wetterlagen, die wochenlang Feuchte oder Trockenheit, Hitze oder Kälte bringen, frühe Austriebe und späte Fröste, höchst unterschiedlich verteilte Niederschläge und eine Häufung von Unwettern. Darauf werden wir Antworten finden und unsere Betriebe, Kulturen und Anbausysteme entsprechend einstellen müssen. Ein effektiver Pflanzenschutz ist dabei von entscheidender Bedeutung, auch mit Blick auf neue Schädlinge und Krankheiten, deren Ausbreitung durch die Veränderungen im Klima begünstigt werden. Das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ der Bundesregierung wird diesen zukünftigen Herausforderungen nicht gerecht. Zwar wurden auf Forderung des Berufsstandes konkrete Maßnahmen zur Nutzung der Einsparmöglichkeiten von Pflanzenschutzmitteln durch technische Lösungen aufgenommen, aber im Kern geht es um pauschale Reduktion und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz. Die Bundesregierung bleibt dabei Antworten auf die entscheidende Frage schuldig, wie wir unsere Pflanzen und damit unsere Ernährung schützen können.

Vielen Entscheidern in der Politik scheint immer noch nicht bewusst zu sein, dass wir mit Blick auf die restliche Welt ein privilegierter Agrarstandort sind. Unsere ertragsstarken Böden und das milde Klima mit ausreichenden Niederschlägen versetzen uns in die Lage großartige Lebensmittel zu erzeugen. Durch den Entwicklungsstand der Technik hat die moderne Landwirtschaft zudem viele Möglichkeiten Einfluss zum Wohle aller zu nehmen, wenn die gottgegebenen Bedingungen nicht optimal sind. Das zieht auch Verantwortung nach sich. Die Forderung nach einer pauschalen Einsparung von Pflanzenschutzmitteln ist jedoch geprägt von einer Doppelmoral die endlich abgelegt werden muss. Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion und die damit einhergehende sinkende Wettbewerbsfähigkeit werden dazu führen, dass die Importe von Lebensmittel steigen werden. Von Lebensmitteln, die unter wesentlich schlechteren Produktions- und auch Sozialstandards erzeugt werden als hierzulande. Darüber hinaus werden zusätzliche Flächen in anderen Staaten benötigt, um die sinkende Produktion am Gunststandort Deutschland zu kompensieren. Daher ist es für den Berufsstand vollkommen unverständlich, wenn manche Errungenschaften so deutlich in die Kritik geraten. Natürlich ist die Branche zu Veränderungen bereit. Viele Projekte zur Reduktion von Pflanzenschutz werden bereits erfolgreich umgesetzt. Anpassungen müssen aber mit Bedacht und mit Blick auf deren Auswirkungen erfolgen, sonst gehen Teile der Landwirtschaft unwiederbringlich verloren.

In Hoffnung säen, in Dankbarkeit ernten – Landwirte und Winzer produzieren mit Respekt und Demut vor der Schöpfung. Nachhaltigkeit ist selbstverständlich für Betriebe, die seit Generationen in Familienhand sind und die sich der Abhängigkeit von der Natur bewusst sind. Der Erntedank ist daher ein besonderes Ereignis, an dem wir gemeinsam für die diesjährige Ernte danken und um Gottes Segen für das kommende Jahr bitten wollen.

Ihr

Ökonomierat Eberhard Hartelt

Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.