„Milchersatzprodukte” pflanzlichen Ursprungs (im Streitfall: aus Soja, Reis oder Hafer hergestellte Getränke bzw. vegane Milchalternativen) sind keine Milch oder Milchmischgetränke im Sinne von Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG und unterliegen daher dem Regelsteuersatz.“
Erläuterungen
Die Beteiligten stritten darüber, ob eine Lieferung von sogenannten Milchersatz-produkten dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlag. Die Klägerin war eine GmbH, die zum Verzehr außer Haus unter anderem Milchersatzprodukte bzw. Getränke mit mindestens 75 Prozent Milchersatz-Anteil lieferte. Das Finanzamt lehnte die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 Prozent für Milcherzeugnisse ab.
Begründet wurde dies damit, dass die veganen Milchalternativen nicht unter die Kategorien der ermäßigten Besteuerung fallen, denn Waren pflanzlichen Ursprungs seien eben keine Milch. Weil der Milchanteil weniger als 75 Prozent betrage, handelte es sich aus Sicht der Verwaltung auch nicht um begünstigte Milch-Mix-Produkte.
Dagegen zog die Steuerpflichtige vor Gericht; dort trug sie unter anderem vor, nach dem Grundgesetz seien die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere für zukünftige Generationen zu schützen. Dazu sei es erforderlich, Milchersatzprodukte umsatzsteuerlich wie Milchprodukte zu behandeln.
Das FG Baden-Württemberg wies die Klage ab, eine Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen hat die Klägerin inzwischen die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. BFH XI B 16/24). Eine Entscheidung aus München steht nach letztem Stand noch aus.
Anmerkungen
In der Entscheidungsbegründung hielten die Finanzrichter fest, dass „Milchersatzprodukte“ pflanzlichen Ursprungs keine Milch oder Milchmischgetränke im Sinne von Nr. 4 oder 35 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 sind. Verwiesen wurde einmal auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, der öffentlich nicht bekannt ist, und andererseits auf ein BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 (V R 49/04, BStBl II 2006, S. 694).
Seinerzeit ging es ebenfalls um die Frage, ob Flüssigkeiten aus Soja, Reis oder Hafer im umsatzsteuerlichen Sinne Milch oder Milchmischgetränke darstellen könnten. Die BFH-Richter meinten, „Nein“, weil sie keinen ausreichenden Anteil an Milch oder Milcherzeugnissen enthalten.
Zudem seien Flüssigkeiten aus Soja, Reis oder Hafer keines tierischen Ursprungs.
Darüber hinaus sahen die BFH-Richter die Flüssigkeiten nicht als gleichartig an und hegten daher auch keine Verfassungs-bedenken. Ob es unter Umständen tatsächlich darum gehe, die Milchwirtschaft zu fördern (vgl. dazu schon BVerfG, Beschluss vom 15. November 1967, 2 BvL 20/64, BVerfGE 22, S. 330), spiele schon deshalb keine streitentscheidende Rolle.
Praxishinweise
Das war eine richtige „Klartext“-Entscheidung des FG Baden-Württemberg. Die Richter brauchten dazu gar nicht viele Worte; die Entscheidungsbegründung ist vergleichsweise sehr kurz und nur 6 Sätze lang:
Wie man es dreht oder wendet: „Milchersatzprodukte“ pflanzlichen Ursprungs sind keine Milch oder Milchmischgetränke. Sollte der Gesetzgeber das einmal anders sehen, könne er dies ja anders regeln, so die Stuttgarter Richter.
Den Begriff der „Mogelpackung“ brauchten die Richter nicht verwenden. Dennoch will die Klägerin die Entscheidung nicht akzeptieren und hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Hürden dafür sind bekanntlich recht hoch, im Mittel ist regelmäßig nur etwa 1/7 der Beschwerden von Erfolg gekrönt.
Denn nach § 115 Abs. 2 FGO ist eine Revision nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
BWV-Infodienst als PDF