Protestbewegung hat zum Ende der Ampel beigetragen BWV diskutiert Wirkungen der Demonstrationen

Veröffentlichung der Berichterstattung des Landwirtschaftlichen Wochenblattes (Nr. 47/2024):

Die bundesweiten Proteste im vergangenen Winter haben dem Berufsstand viel Anerkennung in der Bevölkerung und bei anderen Berufsgruppen sowie Bewegung in die Politik gebracht. Nach Einschätzung des Generalsekretärs des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, wurde die Unzufriedenheit der Bauern mit der Ampelpolitik durch die massiven Proteste in weite Kreise getragen, eine Bewegung initiiert, die zum Ende der Ampelregierung mit beigetragen hat. Krüsken diskutierte am Montag dieser Woche mit Staatssekretär Andy Becht (FDP) und dem Präsidenten des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), Eberhard Hartelt, in Kirchheimbolanden. Dort veranstaltete der BWV erstmals eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Delegiertentagung, die sehr gut besucht war.

Die Landwirtschaft und die Proteste der Bauern seien von Mitte Dezember bis Mitte Januar an erster Stelle in den Medien gewesen, hob Krüsken hervor. Auch dies sei ein Erfolg. „Wir waren alle überrascht, wie positiv dies in der Gesellschaft ankam.“ Dazu habe der ordnungsgemäße Ablauf der bundesweiten Protestveranstaltungen mit möglichst wenig Behinderungen beigetragen. Von anderen Berufsverbänden werde man wegen der organisatorischen Leistung bewundert. Die breite Anerkennung bringe Rückenwind in der Diskussion mit der Politik, so Krüsken.

Proteste als ein Beitrag zur Demokratie

Auch monetär hätten die Proteste etwas bewirkt, so der Erhalt der Kfz-Steuerbefreiung, das abgestufte Auslaufen der Agrardieselrückerstattung und die Gewinnglättung. Die sei jedoch nur ein Teilausgleich, räumte Krüsken ein. Außerdem hätten die Proteste auch Änderungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik etwas bewirkt, insbesondere den Wegfall der Stilllegung. Die Runde ging der Frage nach „Bauernproteste – außer Spesen nichts gewesen?“. Staatssekretär Becht erklärte, dass ihn die Proteste sehr bewegt hätten. Auch im Ministerium sei emotional „etwas los, wenn 1 200 Schlepper nach Hambach fahren“. Die Proteste bezeichnete Becht als einen Beitrag zur Demokratie, die nicht nur in den Parlamenten stattfinden solle. Gut fand er, dass sich die Appelle der Landwirte auch an die Gesellschaft richteten und nicht nur an die Politik. „Ich begrüße jede Kampagne, die einen Dialog begründet“, sagte der Staatssekretär.

Entstehung und Auswirkungen der Bürokratie

Ein Thema der Diskussion war der Abbau von Bürokratie, ebenfalls ein Auslöser der Proteste. Der Landjugendvorsitzende Tobias Füge hatte dies zuvor in seinem Grußwort sehr anschaulich anhand der umfangreichen Begrünungsvorgaben über Winter geschildert, die sich mehrfach unterscheidet, je nachdem ob die Fläche im Roten Gebiet liegt oder in einem Trockengebiet und je nachdem wann die Vorfrucht die Fläche räumt. „Wofür soll man studieren oder sich ausbilden lassen, wann man dann alles gesetzlich vorgeschrieben bekommt,“ fragte Füge. Füge bedankte sich für die vom Land eingerichtete Junglandwirteprämie. BWV-Präsident Hartelt bemängelte hierbei, dass teilweise gewährte Prämien zurückgezogen würden, aufgrund von beanstandeten Beteiligungsverhältnissen. Das sei sehr ärgerlich und zeige, dass man sich mit den vielen Vorschriften und der Bürokratie in einer Sackgasse befinde. „Wir brauchen mehr Verantwortung vor Ort und bei den Landwirten“, forderte Hartelt. Außerdem plädierte er für eine gewisse Fehlertoleranz und wandte sich gegen das Streben zu 100 Prozent Fehler auszuschalten. Als eine Maßnahme zur Deregulierung nannte er die Kooperation im Naturschutz nach dem niederländischen Modell. Nach diesem Modell werden unter anderem Prämien in der Kooperative zusammen für alle beteiligten Landwirte beantragt.

Für Krüsken sind auf politischer Ebene schlechte Gesetze mit hohem Regulierungsgrad bis ins Detail ein Treiber von Bürokratie. Sie entstehe zudem auf ministerieller Ebene, die mit immer mehr Personalstellen ausgestattet werden. Hinzu komme das Bedürfnis, sich aus Angst vor Anlastungsverfahren abzusichern. Hier entstehe eine Verantwortungsdiffusion.

Wird Agrardiesel wiederkommen?

In der Diskussion äußerte ein Landwirt die Befürchtung, dass eine kommende (konservative) Bundesregierung die Regelung zum Agrardiesel nicht wieder zurücknehme. Für Krüsken ist diese Rücknahme ein Lackmus-Test. Auch im Naturschutzrecht müssten Regelungen zurückgeführt werden, sagte Obstbauer Ludwig Schmitt, sonst werde die Landwirtschaft aus Naturschutzgebieten herausgedrängt, zum Schaden auch des Artenschutzes. Im Berufsstand besteht zudem die Befürchtung, dass „der Pflanzenschutz gegen die Wand fährt.“ Hintergrund sind Verbote von bislang zugelassenen Mitteln, die sehr schwierige Neuzulassung von Mitteln und immer neue Schädlinge, wie die Schilfglasflügelzikade, die mehrere Krankheitserreger überträgt.

Auf der Delegiertenversammlung am Morgen wurde von den 135 Delegierten des BWV mit 12 Gegenstimmen und einer Enthaltung einer Beitragserhöhung in den verschiedenen Kategorien zugestimmt. Vorstand und Geschäftsführung wurden nach dem Geschäftsbericht des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Andreas Köhr auf Antrag der Kassenprüfer einstimmig entlastet. Präsident Hartelt berichtete, dass sich derzeit Kandidaten für die Nachfolge der im Sommer verstorbenen Hauptgeschäftsführerin Andrea Adams im Auswahlverfahren befinden und demnächst Gespräche durchgeführt werden. (CM)

Bauernproteste – außer Spesen nichts gewesen?“ – Podiumsdiskussion bei der BWV-Delegiertentagung mit Moderator Johannes Simons, Staatssekretär Andy Becht, BWV-Präsident Eberhard Hartelt und DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken (v.l.).